Liebe Elke, liebe Familie Leistner,

heute einmal ein ganz persönlicher Brief für Sie. Ich hoffe, es ist Ihnen recht, dass ich Sie kontaktiere.
Aber es ist mir einfach wichtig, Dir einmal zu schreiben und versuchen, Dir, liebe Elke, einen Weg aus der Trauer herauszuzeigen. Ich weiß, es ist verdammt schwer und bevor man einen Schritt vorwärts gehen kann, geht man erst einmal drei Schritte zurück. Ich spreche aus eigener leidvoller Erfahrung.

Um wie viel schwerer ist es da, wenn man ein Kind verliert. Liebe Elke, täglich lese ich deine Einträge und weine immer dabei. Es tut einem selbst sehr weh deine Briefe an Chrisi zu lesen. Verstehen kann ich die Verzweiflung. Sie sind voller Trauer, Leid und ohne Hoffnung – aber, hat das dein Chrisi gewollt? Ich glaube nicht. Wenn Ihr als Familie zusammenhaltet werdet ihr den „Berg der Trauer“ gemeinsam besteigen und überwinden. Ihr müsst als Familie ganz eng zusammenstehen, dann schafft ihr das! Im Moment dreht ihr euch im Kreis und findet den Weg aus der Dunkelheit nicht. Vielleicht kann ich da einige Hinweise geben, wie ich es geschafft habe, den Weg aus der Dunkelheit zu finden. Aber ~ jeder muss seinen eigenen Weg finden.

Mir hat in meiner Trauer viel meine Tochter, Schwiegersohn und meine beiden Enkel geholfen und sie helfen mir noch immer, wenn die Trauer mich mal wieder völlig überrennt. Was mir auch sehr geholfen hat, war lesen. Ich habe und ich lese sehr viel. Das hilft und lenkt ab, wenn man erfährt, dass auch andere Menschen ein schweres Schicksal zu tragen haben. Vielleicht wäre es auch etwas für dich, ich meine das Buch der Roswitha Geppert, „Die Last, die du nicht trägst“ und „Das Lächeln kehrt zurück“. Es ist eine stark autobiografische Geschichte über Konstantin, ihr schwerstbehindertes Kind.

Ich habe meine Erfahrungen, meine Trauer, meine Gedanken, alles was mich bewegt aufgeschrieben. Zuerst habe ich ein kleines Buch angefangen, mit Bildern, der Traueranzeige, der Danksagung, meine Gedanken an meinen Mann und kleine Gedichte. Später habe ich unsere Lebensgeschichte aufgeschrieben, nicht nur für mich, sondern auch für meine beiden Enkelkinder. Dadurch habe ich alles ~ wie ich es jetzt sehe ~ ganz gut verarbeitet. Traurig bin ich nach wie vor. Ich habe es auch noch immer nicht fertig gebracht, die Sachen vom Dieter wegzuräumen. Seine Mütze hängt nach wie vor an meiner Garderobe.

Die allergrößte Unterstützung in meiner Trauerbewältigung habe ich durch unsere Tochter erhalten, obwohl sie ihren Papa auch sehr vermisst, hat sie mir geholfen. Und dann werde ich nie den Satz meiner Enkeltochter vergessen, sie sagte zu mir, als ich ihr erklärte, dass Opa Dieter gestorben ist und ich ihr versprochen habe, dass ich versuchen werde, ihn zu ersetzten, also Oma und Opa sein wollte. „Das brauchst Du nicht Oma, Opa beschützt uns vom Himmel aus.“ Sie war zu dem Zeitpunkt 7 Jahre alt. Das hat mich sehr tief berührt. In dieser Zeit ist unsere Familie noch mehr und enger zusammengerückt.

Noch einen kurzen Rat von mir, Menschen die Trauer tragen, sollen sich niemals von Trauerritualen vereinnahmen lassen, sondern immer auf ihre innere Stimme hören. Gibt es in deiner Nähe ein Trauercafe, oder eine Selbsthilfegruppe „verwaister Eltern!? Finde den Weg zu Gleichgesinnten, Gleichbetroffene können auch weiter helfen, haben sie doch alle ihr Kind oder Kinder verloren.

So, liebe Elke, liebe Familie Leistner, ich möchte mich nicht aufdrängen und Sie mit Ratschlägen volltexten. Den Weg aus der Trauer muss jeder selbst finden. Vielleicht helfen ihnen meine Worte.

Nun noch ein kleines Gedicht.


Sag - wohin schreib ich Deinen Namen?
In den Himmel? - der ist zu hoch.
In die Wolken? - die sind zu flüchtig.
In den Baum? - der gefällt und verbrannt wird.
Ins Wasser? - das alles fortschwemmt.
Sag - wohin schreib ich Deinen Namen?
In mein Herz!
....und immer tiefer in mein Herz!!!


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Ich wünsche Ihnen einen lebbaren Tag mit schönen Erinnerungen an ihren geliebten Chrisi.

Seien sie alle ganz herzlich gegrüßt von Ingrid mit Dieter ganz fest im Herzen, ich denke an Euch und umarme Euch ganz herzlich.