Erst vor wenigen Tagen erfuhr ich von Wiebkes Tod, was mich sehr betrübt hat. Wir waren keine Freundinnen und dennoch finde ich es furchtbar traurig, dass sie nur im Tod ihren Frieden zu finden glaubte. In der Schule galt sie als Sonderling, was jedoch nicht bedeutete, dass man sie nicht mochte. Sie war immer ein bisschen für sich, eine Einser-Abiturientin, die wohl viel für ihre guten Noten lernte und sich damit selbst unter Druck setzte. Aber sie war keine, die sich für etwas besseres hielt, im Gegenteil: Sprach man sie an, war sie immer freundlich und hilfsbereit, verhielt sich anderen gegenüber nie negativ. Als wir mal ein gemeinsames Referat vorbereiten sollten, stellte ich fest, wie liebenswert sie eigentlich war. Sie hatte nicht nur Köpfchen, sondern auch einen tollen Humor. Wir lachten viel. Dennoch wurde daraus keine Freundschaft. Ich glaube, dass es vielleicht auch daran lag, dass zu dem Zeitpunkt die "Karten bereits verteilt" waren und die "besten Freundinnen" bereits für jeden ihren festen Platz gefunden hatten. Zudem beendeten wir kurze Zeit später die Schule und jeder ging seinen Weg. Man sah sich allerhöchstens auf Abitreffen. Irgendwann hörte ich, dass sie ihr Jurastudium abgebrochen hatte und darunter sehr litt. Vielleicht hatte sie sich zu viel aufgebürdet oder glaubte, dass man zu viel von ihr erwartete. Vielleicht war der Druck schon damals zu groß. Dann die Schicksalsschläge in der Familie. Für einen sensiblen, feinfühligen Menschen sind so viele tragische Erlebnisse schwer zu verarbeiten ohne Hilfe von außen. Vielleicht zeigte sie ihre Probleme auch nicht so offen, das passiert ja vielen Menschen. Ich hoffe, dass sie nun tatsächlich den Frieden gefunden hat, den sie all die Zeit gesucht hatte und bedauere gleichzeitig, dass ihr ein Weiterleben nicht möglich erschien. Liebe Wiebke, ich hoffe, du bist nun wieder mit deiner Mutter und deinem geliebten Bruder vereint. Ruhe in Frieden.