Liebe Vanessa Glowacki,

Deine Klassenlehrerin und ich haben Dir damals versprochen, dass Deine Pflegemutter nichts von unserem Gespräch erfahren würde, weil Du mir ausdrücköich sagtest, dass Du wirklich sehr große Angst vor Deiner Pflegemutter hast.
Aber der Rektor der Grundschule hat genau dieses Versprechen gebrochen, als er damals noch am Freitag Abend zu euch hingefahren ist. Als ich das am Montag einer Dame vom Jugendamt erzählt habe, hat sie nur mit dem Kopf geschüttelt und gesagt: „Was will der Kerl denn da? Das ist doch gar nicht seine Aufgabe! Das ist doch überhaupt nicht sein Job!“ - Sie meinte mit dem Kerl natürlich den Rektor.
Bitte Vanessa, Du musst mir glauben, ich habe für Dich nur das Beste gewollt, dass man Dir in Deiner Not hilft, aber der Rektor nicht. Er wollte Dir zunächst überhaupt nicht helfen. Erst als ich ihn stark unter Druck gesetzt habe, hat er viel später das Jugendamt informiert.
Der Rektor der Grundschule wollte Dir in Deiner Not gar nicht helfen, obwohl er ganz genau wusste, dass Du große Angst vor Deiner Pflegemutter hast. Im Gegenteil, er hat sogar trotzdem mit ihr gesprochen, an jenem Freitagabend.
Ich hoffe von ganzem Herzen, dass Du dies alles einmal verstehen wirst und nicht länger mir die Schuld gibst oder womöglich Deiner Klassenlehrerin. Das, was ich Dir hier schreibe, ist die Wahrheit. Das schwöre ich Dir beim Grab meiner Mutter.
Vanessa, Du musst auch unbedingt der Dame vom Pflegekinderdienst sagen, wie groß Deine Angst vor Deiner Pflegemutter ist. Wenn Du ihr das nicht ausdrücklich sagst, kann und wird sie Dir nicht dabei helfen, von dieser Pflegefamilie wegzukommen. Nur, wenn Du offen und ehrlich von Deiner großen Angst erzählst, genau wie Du es mir damals geschildert hast, kommst Du auch von da weg, Vanessa.
Ich will, dass Du niemals mehr vor einem Erwachsenen Angst haben musst! Das ist mein größter Wunsch, Kleines.

Dein Horst