Ich weiß, geboren werden und sterben sind eins.
Leben wollen und sterben wollen sind eins.
Glück und Trauer sind eins.
Aber wissen und verstehen sind etwas anderes.

(Renate Salzbrenner)




Liebe Elke,

höre auf dein Herz und lasse dich von deinen Gefühlen tragen und schreibe weiter an deinen Chrisi. Du machst, wie jeder Trauernde die deprimierte Erfahrung, dass dir plötzlich manche vertraute Menschen fern sind und dir aus dem Wege gehen. Es sieht so aus, als wollten sie dich und deine Familie meiden. Sie versuchen gequält freundlich zu sein. Aber verzeihe ihnen, sie sind nur unsicher wie sie euch begegnen sollen.

Deine Familie braucht jetzt jemanden, der zu euch steht, wenn ihr ganz unten seid. Einen lieben Menschen der bei euch sitzt und mit euch weint.Der euch Geborgenheit und Mitgefühl zuteil werden lässt. Der sich eure Ängste und Sorgen, auch bittere Vorwürfe gegen die Ärzte anhört, einfach ein Mensch der zuhört und für euch da ist.

Da helfen auch ein paar liebe Zeilen. Anteilnehmende Briefe auf diesen Seiten sind mehr wert als die Erinnerung an gute Freunde, die nichts mehr von sich hören lassen. Darum solltet ihr die Menschen auch zu euch lassen, wenn sie euch auf diesen Seiten „besuchen“. Es ist richtig und gut einen lieben Brief von unbekannten Menschen zu lesen und dankbar zu sein für jedes Zeichen des Mitgefühls.

Eine echte Trauer ist nicht möglich ohne Dankbarkeit. Ihr habt mit Chrisi euren guten Sohn und Bruder, den wichtigen Teil eures Lebens, verloren. Zorn und Ohnmacht gegen die Ärzte spürst du, aber auch Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit mit deinem/eurem Chrisi.

Dankbarkeit für all die Liebe die er euch trotz seiner jungen Jahre zurück gegeben hat. Der frühe, tragische und sinnlose Tod eures Sohnes zeigt, wie zerbrechlich das Leben ist.

Jeder Augenblick des Glücks ist vergangen. Nimm jeden Moment eures gemeinsamen Lebens als kostbares Geschenk an und bewahre die Erinnerungen an Chrisi. Seid dankbar für jede glückliche Stunde, für jede glücklich verbrachte Minute, erinnert euch an die guten Gespräche zwischen euch und eurem Sohn und Bruder. Erinnere dich an seine Liebe und trage diese Liebe weiter.

Sicher tragen euch jetzt oft die Füße auf den Friedhof. Ihr wollt eurem Chrisi nahe sein. Aber ist er wirklich dort??? Ist er nicht vielmehr in eurem Herzen? Ist er nicht vielmehr in eurer Liebe? Haltet als Familie zusammen, steht gemeinsam die schwierige Zeit der Trauer durch, aber lasst trotz allem die Freude, das Lachen und die Liebe wieder zurückkehren.

Die Liebe braucht in Wahrheit nur Stille und vermag ohne Worte so vieles zu sagen. Liebe spricht eine andere Sprache. Raum und Zeit lässt sie zurück. Es zählt nicht Gestern und nicht Morgen, denn die Liebe lebt den Augenblick. Sie ist die Kraft, die Flügel verleihen, sie legt den schönsten Zauber um dich, lässt Sterne in deiner Seele strahlen und im Glanz deiner Augen zeigt sie sich. Sie malt ein Lächeln in dein Gesicht, ist ein Traum aus dem man nie erwacht, wird uns von den Engeln mitgegeben und wurde im Himmel gemacht.

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Ich umarme dich und drücke dich ganz fest an mein Herz, seid herzlich gegrüßt von Ingrid

PS: Ich möchte dich, liebe Elke, noch ein Buchtipp geben. Kennst du den 1973 erschienen Erstlingsroman der Leipziger Schriftstellerin Roswitha Geppert „Die Last, die Du nicht trägst“ und die Fortsetzung des Erzählbandes „Das Lächeln kehrt zurück“? In der autobiografischen Geschichte geht es um das Leben mit einem schwerstbehinderten Kind.

Vielleicht helfen dir diese beiden Bücher um über deinen Schmerz hinweg zu kommen. Herzlichste Grüße Ingrid